4. Elternforum Zentralschweiz 2023

28. Oktober 2023
Integrative Bildung – Chancen und Grenzen

Text: Nadja Stadelmann

Eltern fühlen sich allein gelassen

Rund 100 Eltern und Fachpersonen aus den Bereichen Volks-, sowie Sonderschulen durfte das Elternforum Zentralschweiz letzten Samstag in Luzern begrüssen. Das OK, bestehend aus zehn Organisationen aus dem Behindertenbereich, lud zum Thema «Integrative Bildung – Chancen und Risiken» ein.
Die integrative Sonderschulung wirft für Eltern viele Fragen auf: Erhält mein Kind in der Regelschule die Förderung, die es zur Entfaltung seiner Fähigkeiten benötigt? Wird mein Sohn darunter leiden, der schwächste Schüler der Klasse zu sein? Wird meine Tochter bei der Suche nach einer guten «Anschlusslösung» nach der Schulzeit ausreichend unterstützt? Darüber diskutierten in einem breit aufgestellten Podium:
• Nadja Kos, Mutter eines 9-jährigen Sohnes mit geistiger Behinderung und Sprachstörung, welcher die Heilpädagogische Schule besucht.
• Christian Iten, Vater einer 10-jährigen Tochter mit Körperbehinderung, welche die Regelschule besucht.
• Barbara Irniger, Mutter eines 11-jährigen Sohnes mit geistiger Behinderung. Als Grossstadträtin beschäftigt sie sich auch politisch mit «Integration und Separation».
• Martin Imhof, Abteilungsleiter Sonderschulung Dienststelle für Volksschulbildung des Kanton Luzerns.
• Beatrice Merz, Angebotsleiterin Sehen Plus im HPZ SONNENBERG Baar.
• Louis Amport, der 32-Jährige lebt seit der Geburt mit Cerebralparese und sitzt im Rollstuhl. Er besuchte die Regelschule und war dort mit diversen «Hürden» konfrontiert. Heute arbeitet er als Selbständiger im Behindertensensibilisierungsbereich.
Bruno Achermann, ehemaliger Dozent an der PH Luzern, Begleiter von Inklusiven Entwicklungen und Mitherausgeber des Standartwerkes «Index für Inklusion» eröffnete den Anlass mit einem Input Referat.
Moderatorin Regula Späni führte gekonnt durch die nachfolgende Diskussionsrunde und öffnete die Fragen im Anschluss auch für das Publikum. Schnell wurde klar, dass Familien bei der Thematik rund um die schulische und berufliche Integration kaum unterstützt werden. Sie fühlen sich allein gelassen.
Bea Merz, Vertreterin einer Sonderschule betonte: «Schwarz-Weiss-Denken bringt uns nicht weiter. Eine Sonderschule ist nicht per se etwas Schlechtes. Es braucht beide Systeme sowie Angebote dazwischen. Auch in Zukunft!»
Entscheidend ist, dass sich ein Kind willkommen fühlt. Egal wo es zur Schule geht. Ebenfalls sollen soziale Kontakte vor Ort gefördert werden. Ob in der Schule oder Freizeit, wichtig ist, dass sie ermöglicht werden.
Der 32-jährige Louis Amport hat aufgrund seiner Cerebralparese den Kindergarten und die ersten zwei Schuljahre in einer Sonderschule verbracht. Seine Mutter war die treibende Kraft, die auf einen Wechsel in die Volksschule hinzielte. Dies wurde ihm ab der 3. Primarklasse ermöglicht. Er zeigt sich erstaunt, dass die Stolpersteine für einen Zugang zur Regelschule offensichtlich die gleichen sind, wie vor 20 Jahren. Auch für ihn ist klar, es gibt kein Patentrezept. Jede Familie entscheidet für sich. Offen sein, sollten jedoch beide (Schul-)Türen.
Einig sind sich die anwesenden Gäste insofern, dass es im Kanton Luzern eine Beratungsstelle braucht, an welche sich betroffene Eltern wenden können im Hinblick auf den Schuleintritt ihres Kindes mit einer Behinderung. Denn das Gefühl, des allein gelassen Werdens, dies teilen sie alle.

Beitrag Tele 1

Aufnahme Elternforum 2024

3. Elternforum Zentralschweiz 2022

Eltern und Fachkräfte fragen sich, ob ein selbstbestimmtes Leben eine Illusion sei

Am Samstag, 17.09.2022 trafen sich rund 90 Eltern, Fachpersonen und Instutionsvertretende zum dritten Elternforum Zentralschweiz. Das Thema der diesjährigen Ausgabe war «Selbstbestimmt Leben – eine Illusion?». Nach einem Impulsreferat von Martin Boltshauser, Leiter Rechtsdienst Procap Schweiz, leitete Regula Späni die Podiumsdiskussion mit spannenden Gästen bestehend aus Eltern, Geschwister von Menschen mit Behinderung und Selbstvertreter*innen.

«Jeder Mensch soll die Wahlfreiheit haben, wie und wo er wohnen will. Er soll ein Recht auf Arbeit haben, soll politisch partizipieren können». Dies sieht Selbstbestimmung vor, wie sie die UNO-BRK fordert. Doch, wie sieht dies in der Umsetzung aus. Auf politischer Ebene ist einiges im Tun, aber die Umsetzung des UNO-BRK ist in der Schweiz noch weit weg. Martin Boltshauser zeigt als Rechtsanwalt und Mitglied der Geschäftsleitung von Procap Schweiz auch seine Zerrissenheit auf. Denn die Bestimmungen des UNO-BRK sind rechtlich nicht direkt einforderbar. Es sei nur eine Empfehlung an den Staat. Er empfiehlt kleine, umsetzbare Schritte anzustreben, statt grosse, kaum erreichbare. Mit unrealistischen Zielen und Forderungen verlieren wir in der Politik.
Auf dem Podium diskutierten:
• Siril Wallimann, blinde Studentin
• Marco Christen, Vater eines 11jährigen Sohnes mit Mehrfachbehinderung
• Monika Bachmann, Mutter eines 18 jährigen Sohnes mit einem ausgeprägten ADHS
• Anja Niederberger, Schwester von einer jungen Frau mit Mehrfachbehinderung
• Silvan Stricker, Projektleiter Soziale Einrichtungen Kanton Zug

«Ich wünschte, meine Mutter könnte das Leben führen, das eine Frau führen würde, mit sogenannt normalen erwachsenen Kindern. Auswärts arbeiten gehen und auch einmal über das Wochenende verreisen».
Anja Niederberger, Schwester

«Niemand sagt einem, was man mit einem Kind mit Mehrfachbehinderung zugute hätte».
Marco Christen, Vater

«Es geht künftig um die Menschen. Nicht mehr um die Einrichtungen. So erreicht man, dass Behindertenpolitik gesamtgesellschaftlich angeschaut wird».
Silvan Stricker, Projektleiter Soziale Einrichtungen

Unterschiedlich sind die Ausprägungen der Behinderungen, die auf dem Podium zusammentreffen. Selbstbestimmung im Kleinen ist jedoch möglich. Jedoch braucht dies Zeit und Ressourcen. So zum Beispiel nennen alle betroffenen Personen die Suche nach geeigneten Assistenzpersonen als deutlich erschwert. Auch der administrative Aufwand bei einem Team von Assistenzpersonen ist enorm hoch.
Es geht um Sichtbarkeit, Wissen und Bewusstsein von Menschen mit einer Behinderung mitten in unserer Gesellschaft. Die Politik soll auch Menschen unterstützen, die bereit sind Menschen mit Behinderung in ihrem Betrieb zu integrieren und zu fördern.

Beim anschliessenden Apéro riche nutzten die Eltern, Fachpersonen und Vertreter:innen der Politik die Gelegenheit sich auszutauschen.Nicht allein zu sein mit seinen Themen, Sorgen und Ängste, dies tue gut. So die Rückmeldung vieler anwesender Gäste.

Aufnahme 3. Elternform 2022 mit Gebärdendolmetscherin: https://www.youtube.com/watch?v=VW2ySLzCax0

2. Elternforum Zentralschweiz 2021

2. Elternforum Zentralschweiz vom 18.09.2021in Luzern

Eltern von Kindern mit einer Behinderung gehören dazu
Vergangenen Samstag trafen sich 100 Eltern in Luzern oder auch zu Hause vor ihrem Bildschirm zum zweiten Elternforum Zentralschweiz. Das Thema der diesjährigen Ausgabe war «Gehören wir dazu?». Nach einem berührenden Impulsreferat von Ann-Christin Plate aus Berlin, leitete Regula Späni die Podiumsdiskussion mit spannenden Gästen bestehend aus Eltern, Geschwister und Menschen mit einer Behinderung.

Anne-Christin Plate, Mutter eines Jungen mit Down-Syndrom, wählte die Kunst als Bewältigungsstrategie. Ihr Film «IKTAMULI» zeigt all die Gefühle wie Freude, Glück, Selbstmitleid, Wut, Trauer mit Zeichnungen und Sprache. Sie realisierte diesen Film für sich aber auch alle Eltern mit einem Kind mit Behinderung. Ihr Referat war ein stimmiger Einstieg in die Frage im Raum «Gehören wir dazu?»
Auf dem Podium sassen

  • Sara Satir, Mutter eines Jungen mit Autismus und cerebraler Bewegungsstörung
  • Reto Pabst, Vater eines Jungen mit Mehrfachbehinderung
  • Erhard Widmer, Vater eines Jungen mit Sehbeeinträchtigung und Mehrfachbehinderung
  • Harriet Bucher, Schwester einer Jugendlichen mit Cerebralparese
  • Tabea Peyer Wüthrich, Schwester eins Mädchens mit Trisomie 21
  • Ursulina Hermann, Mutter im Rollstuhl
  • Jahn Graf, Moderator Paralympics 2020, Youtuber mit Cerebralparese

«Wir Eltern sind Experte im Leben unseres Kindes. Ich wünschte mir, dass wir auch von Fachpersonen, Ärzt:innen, Therapeut:innen als diese wahrgenommen werden».
Erhard Widmer, Vater über die Haltung von aussen

«Wenn Menschen im Rollstuhl an gewisse Plätze nicht hingehen können, fehlt auch das Bewusstsein, dass es schwierig ist diesen Ort zu erreichen. Wir sind schlichtweg nicht sichtbar».
Harriet Bucher, Schwester, studiert Raumplanung an der ETH Zürich

«Ein Grossteil der Behinderungen werden im Verlauf des Lebens erworben. Behinderung geht uns alle etwas an».
Sara Satir, Mutter und Coach

Zum Abschluss fragt Regula Späni Jahn Graf, ob wir um die Rechte lauter fordern sollten statt höflich zu bitten. Er entgegnet, immer mit erhobenen Zeigefinder durch die Gegend zu gehen, sei anstrengend. Da bekomme man den Krampf. Vielmehr brauche es wohl ein gesundes Mittelmass. Aber, die Gesellschaft bewege sich nicht, wenn wir nicht sichtbar sind.
Beim anschliessenden Apéro riche nutzten die Eltern vor Ort die Gelegenheit sich auszutauschen. Nicht allein zu sein mit seinen Themen, Sorgen und Ängste, dies tue gut. So viele Stimmen. Ja, wir gehören dazu.

Livestream 2. Elternforum Zentralschweiz: https://youtu.be/wTl3D0cPEXM

Über uns

elpos Zentralschweiz ist ein unterstützender Ansprechpartner für Eltern und Angehörige von Kindern mit ADHS sowie Betroffene und Fachpersonen. Kostenlose Beratung, vielseitiges Kursangebot und Fachbroschüren stehen allen Interessierten offen. Das Ziel ist einen aktiven Umgang mit ADHS zu fördern, damit die schulische, berufliche und soziale Integration der Betroffenen gelingt.

insieme Luzern ist ein Verein für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung und deren Eltern und Angehörige. Der Verein wurde 1963 gegründet und hat 660 Vereinsmitglieder. insieme Luzern bietet geistig- und mehrfach beeinträchtigten Menschen viele Möglichkeiten, ihre Ferien und Freizeit zu gestalten und so die Angehörigen zu entlasten.

Das Heilpädagogische Kinderhaus Weidmatt SSBL in Wolhusen betreut Kinder mit einer Mehrfachbehinderung oder chronischen Krankheit ab Geburt bis zur Einschulung zur Entlastung, Frühförderung und Therapie, an 365 Tagen im Jahr.

Procap ist die grösste Mitgliederorganisation von und für Menschen mit Handicap in der Schweiz. Wir unterstützen und beraten Menschen mit Beeinträchtigung und Angehörige bei allen Fragen im Bereich Sozialversicherungsrecht. Procap setzt sich für eine inklusive Gesellschaft ein. Ohne Wenn und Aber.

Der Angelman Verein Schweiz informiert, berät und unterstützt Eltern, Angehörige und Freunde von Menschen mit dem Angelman-Syndrom. Charakteristisch für das Angelman-Syndrom sind eine starke Verzögerung der körperlichen und geistigen Entwicklung und das Ausbleiben der Sprache.

Die Vereinigung Cerebral Zentralschweiz berät, informiert und unterstützt Menschen mit cerebraler Behinderung und ihre Angehörigen auf dem Lebensweg. Wir fördern, vertreten und koordinieren in den Kantonen Luzern, Uri, Schwyz, Nid- und Obwalden ihre Anliegen. Gemeinsam streben wir die Gleichstellung, die Selbstbestimmung und die Inklusion von Menschen mit cerebraler Bewegungsbehinderung an.

Heilpädagogische Entlastungsangebote Vogelsang richtet sich an Familien, die Kinder oder Erwachsene mit einer Behinderung betreuen. Das Hauptziel ist die Finanzierung, Förderung und Vermittlung von Entlastungsangeboten, deren Kosten nicht durch andere Leistungserbringer übernommen werden.

HärzMamis ist eine Gruppe von Müttern mit einem beeinträchtigten Kind, welche sich mehrmals pro Jahr in Hochdorf LU trifft. Ziel ist der Austausch, gegenseitige Unterstützung, Aufklären der Unterstützungsangebote und Arbeiten an konkreten Themen. Die Grupppentreffen sprechen gezielt Mütter an, einzelne Anlässe sind für das Elternpaar gedacht. 

Hiki Der Elternverein hiki unterstützt und entlastet Familien mit hirnverletzten Kindern und Jugendlichen unbürokratisch und konkret. Wir beraten betroffene Familien, bieten Entlastung bei der anspruchsvollen Betreuung und leisten finanzielle Direkthilfe. hiki ist Anlaufstelle für Eltern, Fachpersonen und die breite Öffentlichkeit rund um das Thema Hirnverletzungen im Kindesalter.

luniq Der Verein luniq unterstützt als personenzentrierte Dienstleistung Menschen mit Behinderung dabei, selbstbestimmt in einer eigens gewählten Wohnform und als Teil einer Nachbarschaft im Quartier zu leben. Dabei ist die Beratung und Zusammenarbeit mit Angehörigen und Eltern oftmals ein zentraler Faktor. Als Verein setzen wir uns für mehr Selbstbestimmung, Wahlmöglichkeiten und Inklusion von Menschen mit Behinderung ein.

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